Islandreise 2005
oder: Zu Fuß von der Lónsöræfi nach Akureyri

Der Übersicht wegen gibt es diesen Reisebericht auf mehrere Teile aufgespalten:
Gesamt Teil 1 Teil 2 Teil 3


14. August 2005
Jónsskarð











Ich hatte mich am Vortag noch erkundigt, wann denn die Reisegruppen frühstücken wollten, und war dann rechtzeitig eine halbe Stunde vorher da. Danach packte ich meine tausend Sachen, und brachte irgendwie doch alles wieder im Rucksack unter. Ich brach auf zum dritten Teil meiner Wanderung. Heute sollte es über die Jónsskarð auf die Westseite der Askja gehen, zur Dyngjufjöll-Hütte. Morgen wollte ich weiter nach Norden, zur Botni-Hütte, wo es wieder frisches Quellwasser geben sollte. Am nächsten Tag nach Svartárkot oder ein Stück weiter, und dann durchs Bárðardalur und Fnjóskadalur nach Akureyri.
Für den ersten Tag hatte ich mir gleich mal bestes Wetter ausgesucht, Regen und Nordwind und genauso ungemütlich und nass wie am Vortag. Eigentlich hätte ich auf dem ersten Stück die Möglichkeit gehabt, über die Gipfel am Rand der Askja zu klettern und dann an Öskjulón und Víti vorbei zum Parkplatz am Ende der Straße zu kommen. Aber nachdem bei so einem Wetter höchstens einmal Verlaufen drin war, ganz bestimmt jedoch keine berauschede Aussicht, hielt ich mich lieber gleich an die Piste und das Schild "Víti 8km". In mein Regenzeug gehüllt marschierte ich los. Es waren erst wenige rund um die Hütten auf den Beinen. Wahrscheinlich haben sich die meisten nach einem Blick aufs Wetter nochmal auf die andere Seite umgedreht und weitergeschlafen. Das hätte ich auch gerne, aber die Tagesetappe heute war noch lang genug.
Die Reiseleiter der Gruppe vom Vortag fuhren gerade mit ihrem Bus und einem weiteren Auto in Richtung Víti. Scheinbar wollten sie den Ausflug auf den Kraterrand machen und dann mit dem dort bereitstehenden Bus zurückfahren. Und dafür mussten sie jetzt erstmal den leeren Bus dort hinauf schaffen. Als sie mich kurz hinter der Hütte überholten, boten sie mir an, mich mitzunehmen, aber ich lehnte dankend ab.
Von der Landschaft um mich herum bekam ich relativ wenig mit. Erst ging es über hellen Bimsstein dahin, der sich nach zehn Metern irgendwo im Nebel verlor. An einigen Stellen ragten noch ein paar dunkle Basaltfelsen auf, die sich vom hellen Untergrund deutlich abhoben. Aber ansonsten sah ich nur Bimsstein, sogar auf den kleinen Bächen, die die Piste manchmal überquerte, schwamm überall dieses Zeug.
Nachdem ich etwa eine knappe Stunde unterwegs war, kam ein bißchen Rückenwind auf, und trieb die Nebelschwaden vor sich her. Das sah gespenstisch aus, mit den bizarren schwarzen Lavafelsen in der hellen Landschaft und dem wabernden Nebel dazwischen. Aber sehr bald hatte der Spuk ein Ende, die letzten Nebelschleier zeichneten sich ab. Dahinter konnte ich jetzt ein bißchen mehr als nur die 10m Landschaft sehen. Irgendwo über die steilen Berghänge, die ich jetzt sehen konnte, wäre der alternative Weg gegangen. Ein bißchen schade fand ich es schon, daß ich nicht dort oben langgegangen war. Aber andererseits war zwar der Nebel verschwunden, aber der Himmel war immer noch grau in grau und es sah ziemlich bedeckt aus. Auch als die letzten Nebelschleier verschwunden war, und ich langsam den nördlichen Rand der Caldera erkennen konnte, war der Ausblick eher trübe grau als richtig atemberaubend.
Den Bimsstein hatte ich nun hinter mir gelassen, rechts von mir waren mehrere Lavafelder ohne Bimsstein zu sehen und links ging es mit verschiedenen anderen Gesteinen gleich steil bergauf zum Rand der Caldera. Erst auf einer Übersichtskarte erkennt man, daß hier ein etwa 1km breiter Einschnitt in diesem Rand ist, durch den wohl gelegentlich mal Lava abgeflossen ist. Öskjuop, Askjaöffnung. Und am südlichen Rand dieses Einschnittes führte die Piste entlang.
Nach etwa anderthalb Stunden begegneten mir zum ersten Mal wieder Autos, was mich eigentlich wunderte. Normalerweise gehört der Ausflug zur Víti zum Standardprogramm an der Askja. Und mittlerweile war aus dem Regen sogar ein ganz erträgliches Tröpfeln geworden. Nach etlichen Kurven und Windungen der Piste stand ich dan recht unvermittelt am Parkplatz. Dort waren zu meiner Verwunderung noch etliche weitere Autos geparkt. Und an jedem Auto bereiteten sich die Leute auf die 2km Wanderung zur Víti vor. Wie die alle dahingekommen sind, ist mir bis heute ein Rätsel.
Der Parkplatz ist etwa auf einer Höhe mit dem heutigen Boden der Caldera. Die Berge, an denen ich und die Piste entlanggelaufen waren, endeten hier, und der besagte Einschnitt im Rand der Caldera öffnete sich. So konnte man von hier aus recht bequem und ohne große Berge zu den Kraterseen loslaufen, Öskjuvatn und Víti. Das hatte ich bei meinem letzten Besuch der Askja auch gemacht und den gut ausgetretenen Pfad kannte ich. Auch die großen Hinweisschilder mit Kartenausschnitt und Gefahrenhinweisen in allen erdenklichen Sprachen waren mir vertraut. Und das kleine unauffällige Schild "Dyngjufjöll" war mir auch schon letztes Mal aufgefallen, aber das hatte ich damals nicht weiter beachtet. Es zeigte geradewegs ins Lavafeld hinein. Kein Pfad, keine Warnschilder, und keine Menschenseele waren dort.
Bei meinem Wegweiser machte ich erstmal eine Pause und suchte mir einen Pfad durch die zerklüfteten Lavafelsen. Laut diversen Wegbeschreibungen und genaugenommen auch nach dem Wegweiser musste es schnurgerade einen Kilometer nach Norden quer durch die Öskjuop gehen, auf die Nordseite des Einschnittes im Kraterrand. Von dort aus sollte es dann irgendwie direkt unterhalb der nördlichen Kraterwand entlang bis zur Jónsskarð gehen, einem kleinen Pass, auf dem man die Caldera und die Askja verlassen konnte. Leider scheiterte ich von meinem Aussichtspunkt aus schon ganz am Anfang daran, eine gerade Linie quer durchs Lavafeld zu suchen. Auf gut Glück kehrte ich dem Trubel hinter mir den Rücken, wo man noch die Schuhe binden musste oder wieder ausziehen oder Picknick am Auto machen oder Lunchpakete austeilen und entgegennehmen oder ich weiß nicht was.
Wie zu erwarten war es recht mühselig, auf dem Lavagestein vorwärts zu kommen. Dabei war der Anfang noch das leichteste Stück, denn ich hatte "Plattenlava" unter mir. Also unzählige größtenteils ebene Schollen, die allerdings in alle möglichen Richtungen gekippt und geneigt waren. Wenigstens waren sie fest, die meisten zumindest. Ich fand sogar ein paar Steinwarten unterwegs, die wohl sowas wie eine Wegmarkierung sein sollten. Aber nach 500m war diese Plattenlava zuende. Abrupt stand ich auf sandigem Grund, und auf dem Sand gab es einen ziemlich unübersichtlichen Verhau von Brockenlava. Also viele große und kleine Felsen mit vielen scharfen, blasigen Kanten auf jeder Seite, die immer wieder zu kleinen oder größeren Barierren aufgetürmt waren, über die ich nicht drübersehen konnte, über die ich dafür um so öfter rüberklettern musste.
Anfangs konnte ich ein paar Fußspuren im Sand erkennen, denen ich einfach mal hinterherging, und die ich auch jedesmal wiederfand, wenn ich über eine der Brocken-Barrieren kletterte. Irgendwann folgten die Spuren einem kleinen Graben zwischen zwei solchen Barrieren und liefen schnurgerade in eine völlig falsche Richtung, um dann mitten in moch mehr unangenehmen Lavabrocken zu Enden. Ganz geschickt. Also GPS rausgeholt, Kompass eingeschaltet und nochmal neu überlegt, wo ich eigentlich hin wollte. Erstmal ein Stück zurück, um aus dem Graben rauszukommen, dann kletterte auf einen besonders großen Steinhaufen und versuchte, die vom GPS ausgespuckte Richtung in der Realität wiederzufinden. Und tatsächlich konnte ich jetzt einen zweiten Wegweiser entdecken, der aus dem selben grauen Metall gefertigt war, wie der beim Parkplatz. Ich musste nur noch eine Unmenge weiterer scharfkantiger Lavabrocken überklettern und war nach insgesamt einer knappen dreiviertel Stunde seit dem Parkplatz endlich bei dem Wegweiser. Einen Kilometer hatte ich in der Zeit geschafft. Gerade als ich einigermaßen erschöpft meinen Rucksack abstellte um eine Müsliriegel- und Fotopause zu machen, fing es auch noch an zu regnen.
Der Wegweiser stand auf einer kleinen Anhöhe, auf der es sogar ein bißchen Moos gab, und wäre eigentlich nicht zu übersehen. Wenn er nur nicht genauso grau wie die Landschaft ringsherum gewesen wäre. Naja, immerhin hatte ich ihn gefunden, und das schlimmste Stück Lavafeld hinter mir. Von hier aus sollte es zwischen dem Lavafeld und dem Berghang "auf Sand und Schneefeldern" einfacher weitergehen. Das erste Altschneefeld war direkt hinter dem Wegweiser, und ein paar Fußsspuren waren darauf auch schon zu erkennen.
Ich fand es ganz ungewohnt, wie angenehm es sich doch auf einer richtigen schönen Ebene lief. Denn ab hier ging es tatsächlich problemlos "auf Sand und Schneefeldern" relativ eben vorwärts. Immer am Rand der Caldera entlang, bis es irgendwo eine Möglichkeit geben sollte, über den Rand hinauszugelangen. Das Lavafeld links von mir war nicht sehr einladend und die Berge rechts von mir gingen ziemlich steil hinauf, so daß ich eigentlich auch gar keine andere Möglichkeit hatte. Außerdem hatte ich immer wieder Fußspuren am Boden vor mir.
So ging es eine ganze Weile voran und ich kam sogar an einer weiteren Steinwarte vorbei. Aber als die ständige Abwechslung Schnee und Sand langsam langweilig wurde ich laut GPS auch nicht mehr allzuweit von der Jónsskarð entfernt war, wurde es wieder richtig interessant. Die Spuren verloren sich, es ging durch ein Stückchen Brockenlava. Als ich gerade halb hindurch war, entdeckte ich ein ganzes Stück weiter oben am Kraterrand die Fußspuren wieder, die offensichtlich eine bessere Alternative zu meinem Lavafeld gefunden hatten. Also ging ich ihnen hinterher, kletterte am Hang hinauf, und lief wieder ein paar Meter auf soetwas wie dem offiziellen Weg. Dann verloren sich die Spuren aber auch wieder.
Von hier oben hatte ich wenigstens einen recht guten Überblick über die ganze Caldera und meinen weiteren Weg. Ich konnte den Parkplatz sehen, von dem aus die Outdoorjacken bis hier herüber in schreienden Farben leuchteten, ich sah den großen Öskjuvatn, und noch weiter rechts sah ich einen etwas flacheren Hang in die Caldera hineinragen, die Jónsskarð. Ein paar leuchtend gelbe Pflöcke markierten den Weg. Bzw. oben auf dem ganz ansehnlichen Hügel mit sehr steilen Hängen markierten die gelben Pflöcke einen Weg, aber wie man dort hinaufkam, das blieb wohl jedem selbst überlassen.
An den Fuß des Hügels zu kommen war schon eine halbe Katastrophe. Es ging wieder bergab und dann durch sehr unangenehme Brockenlava, die bei jedem Schritt knirschte und in alle Richtungen kippte. Wenn ich mich mit den Stöcken abstützte, konnte ich sicher sein, daß sie sich zwischen irgendwelchen Steinen verhakten und ich sie erstmal umständlich wieder herausziehen musste. Mehr als einmal hatte ich das Gefühl, daß die doch eigentlich schon längst gebrochen sein müssten, aber sie hielten doch ganz gut. Ich versuchte so bald wie möglich wieder höher auf den Hang hinauf zu kommen, wo ich wenigstens Sand hatte, und ein paar Schneefelder.
Als also vom Nordrand der Caldera die Bergflanke der Jónsskarð hereinragte, versuchte ich schnurstracks dort hinauf zu klettern, über Schnee und Sand, bei einem wirklich sehr steilen Gefälle. Als ich mich auf allen Vieren etwa auf halbe Höhe vorangekämpft hatte, fand ich die ersten gelben Pflöcke. Weiter unterhalb sah ich sogar einen dritten Wegweiser aus Metall. Aber all diese Wegmarkierungen machten eher den Eindruck, als hätte jemand von einem Hubschrauber aus wahllos ein paar gelb bemalte Pfosten abgeworfen. Ich musste weiter auf allen Vieren den steilen Hang hinaufklettern. Wahrscheinlich gibt es irgendeinen Geheimtrick oder noch einen zweiten Weg. Als das Terrain endlich wieder flacher wurde, war ich jedenfalls fix und fertig und hätte am liebsten gleich hier oben die Dyngjufjöll-Hütte gehabt. Streckenmäßig hatte ich erst gut die Hälfte der Etappe dorthin geschafft.
Der Ausblick von der Jónsskarð in die Caldera hielt sich in Grenzen. Es regnete wieder, war ziemlich wolkig, und den gegenüberliegenden Kraterrand konnte ich kaum noch erkennen. Bei besserem Wetter wird man für den beschwerlichen Weg aber sicher ganz gut belohnt. Immerhin konnte ich sehr gut meinen Weg am Kraterrand entlang verfolgen, der vergleichsweise harmlos war. Auf geradem Weg zum Parkplatz oder gar zum Öskjuvatn erstreckte sich ein schier endloses Feld von Brockenlava, wovon ich nur ein paar wenige hundert Meter abbekommen hatte.
Der Wind war recht kalt hier oben, und bevor ich allzusehr auskühlte packte ich schnell wieder meinen Rucksack und lief weiter. Es folgte noch ein kurzes und harmloses Stückchen auf kohlschwarzem Sand zu einer markanten Felsspitze, rechts davon war der höchste Punkt der ganzen Wanderung mit genau 1300m erreicht, und es ging wieder bergab. Aber der Blick nach Norden war ebenfalls sehr beschränkt. Bestimmt hat man bei besserem Wetter auch hier eine prima Sicht über alle möglichen Berge, inklusive Herðubreið. Heute nicht.
Die gelben Wegmarkierungen waren nicht mehr zu verfehlen und führten, wie ich unterwegs feststellte, geradewegs bis zur Dyngjufjöll-Hütte. So war das doch deutlich einfacher, als mit der Lava auf der anderen Seite des Kraterrandes. Stellenweise ging es über Schneefelder, größtenteils über Sand. Besonders tückisch waren aber einige mit Sand bedeckte Altschneefelder. Vor mir waren da schon einige einzelne Fußsspuren tief eingebrochen, während die große Masse eher in großem Bogen außenherum führte. An einer Stelle, als es gerade über so ein Schneefeld ging, unter dem es sehr vertrauenserweckend bachartig gluckerte, bin ich dann auch eingebrochen. Aber zum Glück nur mit einem Fuß und mit einem rettenden Satz konnte ich das schlimmste Verhindern. Auf dem weiteren Weg hielt ich aber genau Ausschau, wo sich unter dem Sand vielleicht Schnee verbergen könnte, und wo man wirklich festen Boden unter den Füßen hatte.
Ein Stück weiter unten hatte ich eine druchgehend stabile Sand- und Steinunterlage, auf der man auch zusehends besser gehen konnte. Die Steine waren deutlich kleiner und hatten weniger scharfe Kanten als die Brockenlava innnerhalb der Caldera. So kam ich recht zügig voran und es ging auch noch bergab. Schon nach wenigen hundert Metern hatte sich natürlich Schmelzwasser zu einem kleinen Bach gesammelt, an dessen rechter Seite der Weg entlangführte. Gelegentlich musste ich über einen weiteren kleinen Zulauf springen, was aber jedesmal problemlos möglich war. Ich war froh über die Wegmarkierungen, denn eigentlich hatte ich keine so ganz genaue Vorstellung, wie das nun weiterging bis zur Hütte. Eigentlich hatte ich sogar das Gefühl, ich müsste doch auf der anderen Seite vom Bach entlanglaufen. Aber wenn es schon Markierungen gab, folgte ich denen natürlich.
Nach einigen Kilometern entfernte sich der Weg zusehends vom Bach, was meine Sorge bezüglich der Bachseite ein wenig linderte. Mittlerweile hatte der nämlich eine ganz ansehnliche Menge Wasser gesammelt, und so kalt und nass wie es war, hatte ich nur bedingt Lust, hindurch zu waten. Es ging immer steiler bergab, bis es quer zu meinem Weg plötzlich in einem Steilhang fast senkrecht hinunter ging. Unterhalb des Hanges lag eine weite sandige Ebene in einem kleinen Tal, direkt zu meinen Füßen ging es in einigen Windungen recht steil dort hinunter. Und irgendwo links von mir hatte wohl auch der Bach einen Weg über den Steilhang gefunden, machte dann eine Biegung nach Norden und folgte dem Tal.
Dummerweise änderte der Weg die Richtung nicht, und unten auf dem sandigen Boden der Ebene waren unzählige Fußsspuren zu erkennen, die alle zielstrebig auf die breiteste Stelle im Bach zuführten. Ich wusste doch, daß dies das ungünstige Ufer war. Und irgendwie fragte ich mich, ob der Bach eigentlich immer so breit war, oder nur, wenn es ein paar Tage lang ununterbrochen geregnet hat.
Aber alles Meckern half hier nicht, ich folgte einfach den Spuren und der Wegmarkierung. Der Bach war in etliche kleine Seitenarme aufgeteilt, und weil er so breit war wenigstens auch recht flach. Trotzdem musste ich wieder meine Furt-Sandalen auspacken und die Schuhe wechseln. Kalt! Und im übrigen war das Wasser auch recht trübe, also nicht mal gut für eine Trinkpause geeignet. Aber ich hatte noch genügend Wasser mit, von dem ich beim Füsseaufwärmen etwas trinken konnte.
Der weitere Weg wurde wieder etwas steiniger. Und die hellen Felsen zwischen dem schwarzen Sand wirkten dabei ziemlich deplaziert. Aber etwas Abwechslung tat mir auch nicht schlecht, und ich war noch nicht lange auf den Steinen unterwegs, als schon die nächste Überraschung auf mich wartete. Das nächste Tal in das es links und rechts von mir fast senkrecht hinunterging. Da wo mein Weg ankam, ging es recht flach hinunter. Das Dyngjufjalladalur.
Eigentlich wusste ich nichts über das Dyngjufjalladalur, und nur sehr wenig über die ganze Gegend hier. Erst hier fiel mir auf, daß ich diesen Abschnitt meiner Reise in der Vorbereitung als "bekannter Wanderweg" abhakte und mich nicht so intensiv damit befasste. Drum war mir wohl auch nicht bekannt, daß das Tal zu meinen Füßen wohl eines der einmaligsten und schönsten Täler in Island ist. Dicke Asche- und Sandschichten waren zu beiden Seiten in feste Formen gepresst wobei sich sedimentartige Schichten gebildet hatten. Und nachdem das Material recht locker und instabil war, waren viele grössere und kleinere Teile dieses Gesteins abgebröckelt und ins Tal hinuntergerollt. Wie ein riesiges, unaufgeräumtes Trollkinderzimmer voller Murmeln sah das aus.
Im Tal konnte ich auch unschwer einen großen Bach erkennen der von Süd nach Nord floß, und die Piste, die parallel dazu von Nord nach Süd zur Gæsavatnaleið führt. Und als ich auf meinem kleinen Trampelpfad nach unten ins Tal kam, fand ich auch einen vierten grauen Metallwegweiser. Noch einen Kilometer zur Dyngjufjöll-Hütte. Sehr viel weiter wollte ich nach den Strapazen dieses Tages allerdings auch nicht mehr laufen.
Ich folgte der Masse der Fußspuren, die die Piste einfach kreuzten und in einer geraden Linie auf die Hütte zuführten. Diese konnte ich natürlich auch schon sehr bald sehen, auf der anderen Seite des Baches an der Westseite des Tales. Also hatte ich zwangsläufig noch einen letzten Bach zu überqueren. Aber nachdem ich auf der anderen Seite nur noch zehn Schritte bis zur Hütte gehen musste, konnte ich das auch noch verschmerzen.
Eigentlich wäre es noch schön gewesen, eine kleine Runde mit Fotoapparat durchs Tal zu machen. Gerade kamen ein paar warme gelbe Sonnenstrahlen durch irgendeine Wolkenlücke, so daß das Tal und die Steine nochmal doppelt und dreifach schön wirkten. Aber ich war einfach zu geschafft, nach der Kletterei über die Jónsskarð und durch die Lavafelder heute. So genoß ich das Schauspiel von der Hütte aus, und mit den Fotos wurde das nichts.
Von außen war die Hütte wie üblich versperrt, mit Fensterläden und allem drum und dran. Ich war der erste Gast für heute, und auch der einzige. Sehr gut. Nachdem ich mich aus dem Regenzeug geschält hatte, versuchte ich mich erstmal am Ofen. Wieder so eine Ölkonstruktion wie bei der alten Dreki-Hütte. Auch diesmal las ich mir sorgfältig die Gebrauchsaleitung durch, nur isländisch. Und nach ein bißchen versuchen bollerte es auch schon schön warm. Als nächstes suchte ich nach Trinkwasser. Ich hatte zwar einen kleinen Vorrat selber mitgebracht, aber auch hier wurde ich sehr bald fündig. Im Bach vor der Haustüre stand eine große blaue Tonne. Wahrscheinlich wird die ungefähr einmal im Monat mit Wasser aus dem Bach gefüllt, und nachdem sie dann so schön ruhig steht, setzt sich Sand und Sediment ab und obenauf gibt es eine Schicht Trinkwasser. Ich holte mir gleich mal einen guten Vorrat in die Hütte herein.
Zum Abendessen gab es Nudeln und heißen Tee. Sehr angenehm nach dem nasskalten Tag. Und als Bettlektüre gab es das Gästebuch, auch größtenteils isländisch und mit teilweise sehr alten Einträgen. Ansonsten gab es nicht mehr viel zu tun, die Sonne ging schon recht früh unter, also breitete ich mich mit meinem Schlafsack auf einer der Pritschen am einen Ende der Hütte aus. Ich war noch gar nicht richtig zum Liegen gekommen, da war ich auch schon eingeschlafen.

Bilder der Tages:

15. August 2005
zur Botni-Hütte








Die Nacht über war es sehr ruhig. Gelegentlich pfiff eine Böe um die Hütte und Regen trommelte an die Außenwand, aber ansonsten war nichts zu hören. Beim Aufwachen war es dann restlos still, nur sehr gedämpft und leise plätscherte der Bach vorbei. Ich kochte mir einen Tee, machte Frühstück und packte dann meine Sachen. Und natürlich schrieb ich mich noch ins Gästebuch und kehrte beim Verlassen die Hütte sauber.
Draußen sah es wiedermal gar nicht freundlich aus. Nebel mit etwa 100m Sicht und leichtem Nieselregen. Also packte ich mich wieder wasserdicht ein, und lief in Sandalen los. Denn gleich hinter der Hütte musste ich wieder zurück auf die andere Seite meines Hausbaches. Und gleich hinter dem Bach folgte die erste kurze Pause, um die Wanderstiefel anzuziehen. Dabei fiel mir auf, wie mitgenommen die Sohlen mittlerweile waren, vor allem nach der gestrigen Etappe durch die Lava.
Ich bin dann zielstrebig zur Piste gelaufen, die von hier aus zurück in Richtung Zivilisation führte. Die Piste war nass und der Sand dementsprechend fest. Eigentlich wollte ich sie schonmal mit dem Fahrrad ausprobieren, hab das aber wegen "schlechten Wetters" doch sein lassen. Heute hätte ich keine Bedenken mehr, vor allem wenn es nass ist. Bei Trockenheit müsste man wohl eher kilometerweit schieben. Aber verfahren kann man sich kaum.
Von Zivilisation war erstmal noch lange keine Spur. Es ging im Dyngjufjalladalur entlang, zwischen hausgroßen schwarzen Asche-Felsen, den Trollmurmeln, die auf dem schwarzen Wüstensand verstreut waren. Der düstere graue Himmel darüber komplettierte die Farbpalette. Nirgends ein Grashalm, einfach Nichts. Aber immerhin ein Weg. Langsam ließ ich die Felsbrocken hinter mir und das Tal weitete sich zu beiden Seiten. Links von mir floß weiter der Bach in immer größerer Entfernung, aber in die selbe Richtung wie die Piste.
Als ich schließlich aus dem Tal heraus war, war die Landschaft erst recht monochrom. Unten schwarz in verschiedensten Schattierungen, oben grau in grau. Von Bergen am Horizont war keine Spur zu sehen, ich konnte nichtmal mehr die Askja und die Jónsskarð finden. Zum wiederholten Mal ärgerte ich mich, daß das Wetter bei meiner diesjährigen Tour so gar nicht mitmachen wollte. Irgendwo rechts von mir hätten Herðubreið, Bræðrafell und ein paar schöne Schildvulkane sein sollen. Nach etwa 5km kam ich sogar an eine Kreuzung in dieser Richtung, aber die Piste verschwand nach 100m im Nebel. Immerhin war ich trocken und warm eingepackt und meine Ausrüstung im Rucksack war genauso trocken. Das war schonmal was wert!
Als ich weitermarschierte kam mir bald ein knallroter Jeep mit schweizer Kennzeichen entgegen. Mit Kapuze und Sturmhaube konnten sie mein Lächeln nicht sehen, aber mit dem Daumen nach oben signalisierte ich, alles in Ordnung. Ohne Halt fuhr der Jeep weiter und ich war wieder alleine in der Einsamkeit.
Ein paar Hügel weiter machte ich eine kleine Rast auf einem bißchen Lavagestein am Wegesrand und knabberte einen Müsliriegel. Die Piste hatte sich seit dem Dyngjufjalladalur in weiten Schlangenlinien durch ein paar Hügel nordwärts gewunden, um einigen schroffen Lavafelsen wie meinem Rastplatz auszuweichen. Vor mir schien es jetzt erstmal schnurgerade und flach auf schwarzem Sand weiterzugehen, ohne weitere Kurven. Zumindest auf den nächsten paar hundert Metern, die ich überblicken konnte. Nur ganz schwach konnte ich die Umrisse eines größeren Hügels erkennen, auf den die Piste zuzuführen schien.
Ein Stück weit kam es mir wieder so vor, als wäre ich im absoluten Nichts unterwegs. Immerhin hatte ich noch eine Piste, der ich folgen konnte, aber um zu sehen, daß die Zeit nicht stehengeblieben war und daß ich überhaupt vorwärts kam, musste ich doch immer wieder aufs GPS schauen. Als ich so vor mich hinträumte, kam ich mit mal an einen Bachlauf. Genaugenommen an ein ausgetrockneten Bachlauf, aber der war deutlich zu erkennen. In seiner Rinne hatten sich helle Sande und kleine Bimssteine abgesetzt, was einen schönen Kontrast zu der öden schwarzen Ebene bildete. Die Rinne verlor sich irgendwo in Richtung Westen bei meine alten Hausbach, der mitlerweile etliche hundert Meter entfernt war.
Ich lief weiter und irgendwann kam ich auch an den Berg, dessen Umrisse ich vorhin undeutlich im Nebel gesehen hatte. Der Weg führte westlich daran vorbei und ging dann weiter durch die sandig öde Ebene, aber schon bald konnte ich die nächste Landmarke ausmachen. Westlich, jenseits des Baches, konnte ich schon seit einiger Zeit die spitzen Zacken eines weiten Lavafeldes ausmachen, Frambruni. Und dieses Lavafeld rückte näher und näher an die Piste. Einige hundert Meter vor mir führte die Piste dann gerade an den letzten Ausläufern der scharfkantigen Felsen vorbei. Endlich wieder Abwechslung von der öden schwarzen Sandwüste.
Bei diesen Lavabrocken konnte ich mal wieder den Rucksack absetzen und eine Pause machen. Etwa 8-9 km war ich unterwegs seit der Hütte heute morgen, und das ödeste Stück hatte ich wohl hinter mir. Zumindest konnte es nicht mehr viel öder werden. Auch der Himmel sah schon viel besser aus, also immer noch düster und grau, aber immerhin gab es schon Strukturen in den Wolken und nicht nur eine einheitliche Suppe. Und laut Luftlinie war es auch nicht mehr sehr weit bis zur Botni-Hütte.
Hinter den ersten Lavafelsen machte die Piste einen leichten Schlenker nach Westen, und auch wenn es immer noch ziemlich öde aussah, hatte ich wenigstens schon sehr abwechslungsreiche und bizarre Felsformationen gleich links von mir. Außerdem gab es schon die ersten vereinzelten Grashalme, Strandgras, das sich hier mühsam hielt. Nach etwa 4 weiteren Kilometern kam ich in eine weite Senke zwischen zwei Lavafeldern, wo man schon fast von richtiger Vegetation sprechen konnte. Außerdem gab es hier eine Wegkreuzung, oder zumindest Reifenspuren, die nach Norden führten, während die Hauptpiste sich eher in westlicher Richtung fortsetzte. Eigentlich hatte ich schon eine ganze Weile auf diese Kreuzung gewartet, am Sellandafjall vorbei musste es hier in Richtung Grænavatn und Mývatn gehen. Nicht meine Richtung, ich folgte der Hauptpiste.
Weiter ging es zunächst über den Rand der Senke, dann stand ich vor einem riesigen Labyrinth aus Lavagestein. Immerhin Helluhraun, also Plattenlava, während links von mir ein riesiges Feld Apalhraun war, also unangenehme scharfkantige Brockenlava. Auf den Basaltplatten konnte ich eigentlich ganz gut gehen. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich außerdem eine Menge Sand und stellenweise eine Humusschicht in den Ritzen der Lava gesammelt, so daß man bequem von einer Lavascholle zur nächsten laufen konnte. Auch mit dem Fahrrad von der Wegbeschaffenheit eigentlich ideal, aber mit einem breiten Auto sicherlich recht holprig.
Die Piste windete sich durch die Felsentürme hindurch, in scharfen Kurven und Spitzkehren, so daß es mir ein bißchen so vorkam, als müsste ich für jeden Meter vorwärts zwei Meter seitwärts ausweichen. Es zog sich und zog sich, auch wenn es auf der Karte gar nicht mehr so weit bis zur Botni-Hütte schien. Wenigstens konnte ich mich damit trösten, daß das Wetter zusehends besser wurde. Die Wolken stiegen immer höher und sahen schon gar nicht mehr nach Regen aus. Stellenweise lugte sogar ein bißchen Blau dazwischen hervor. Fern im Westen konnte ich mittlerweile bis zu den Höhenzügen jenseits des Skjalfandafljót sehen, über denen noch dichte Regenwolken lagen. Hinter mir im Osten konnte ich ein paar Berge mehr sehen als heute Morgen, aber so richtig überwältigend war die Fernsicht nicht. Im Norden erkannte ich dafür schon Sellandafjall und Bláfjall, hinter denen der Mývatn liegen musste.
So ging es noch eine ganze Weile dahin bis endlich die Hütte Botni vor mir zwischen den Lavafelsen hindurchschaute. Als ich dort ankam setzte ich erstmal ziemlich erschöpft den Rucksack ab. Jetzt musste ich mir nur noch überlegen, ob ich in der Hütte übernachten wollte oder mir irgendwo einen Zeltplatz suchen. Die nächsten 15km bis nach Svartárkot schaffte ich heute jedenfalls nicht mehr.
Auf den ersten Blick war die Hütte viel schöner eingerichtet als die im Dyngjufjalladalur, und sie war wohl auch ein paar Jahre jünger. Problem war nur, daß ich nirgends Trinkwasser finden konnte. Daß irgendwo in der Nähe die Quellen der Suðurá sein mussten, hatte ich mehrfach gelesen, und grade um die Hütte herum und nach Nordwesten hin wurde es auch endlich spürbar grüner, mit frischem Gras. Also musste es wirklich irgendwo Wasser geben. Bloß wo genau?
Nachdem ich auf Anhieb keinen Bach sehen konnte und das Wetter sowieso ganz gut zu werden schien, beschloss ich noch ein Stückchen weiter zu laufen, ins Grüne hinein, bis ich einen Bach fand. Also den Rucksack wieder geschultert und es ging weiter. Die Piste schlängelte sich wie zuvor durch die schroffen Lavaformationen, und etwa 500 Meter und drei scharfe Kurven weiter fand ich endlich die ersehnten Quellen der Suðurá. Das Wasser sprudelte sogar ziemlich kräftig hervor, so daß auf kürzester Strecke ein ansehnliches kleines Flüßchen zusammenkam. Und das alles fast in Sichtweite der Hütte, nur eben hinter den Lavatürmen versteckt. Ich revidierte meinen Plan, füllte erstmal meinen Wassersack mit gut 5 Litern und schleppte das alles dann zurück in Richtung Hütte. Wenn ich das mal früher gewußt hätte.
Unterwegs auf den 500 Metern kam mir das zweite Auto des Tages entgegen. Ein VW-Bus mit hamburger Kennzeichen. Aus allen Fenstern lugte irgendein Kopf hervor, um zu sehen, ob und wie man wohl weiter durch die Felsen schaukeln könnte. Eigentlich fand ich es schon ziemlich erstaunlich, daß das Gefährt überhaupt so weit gekommen war. Schneller als ich waren die jedenfalls nicht unterwegs, und das Fahren war sicher ziemlich anstrengend. Wir grüßten uns freundlich, jeder mit einem kleinen Lächeln auf dem Lippen, ach, schau mal, ein Verrückter.
Mit meinem Trinkwasser machte ich es mir dann in der Hütte bequem. Der Ofen wollte erstmal nicht so recht, ich musste erst auf die Idee kommen, draußen am Öltank den Hahn zu öffnen, damit das funktionierte. Aber bald bollerte er munter vor sich hin und kochte nebenbei mein Nudelwasser. Beim Essen dann ausführliche Lektüre des Gästebuches. Später am Abend machte ich noch einen kleinen Spaziergang um die Hütte herum, da die Wolken direkt über mir immer lichter wurden. Aber der Wind kam immer noch kalt aus Norden und in den Bergen am Horizont östlich und westlich sah es sehr regnerisch aus. Naja, jetzt hatte ich schon fast drei Wochen lang Regen, da spielten die letzten paar Tage bis Akureyri auch keine Rolle mehr.
Ich verkrümelte mich recht bald ins Bett, das letzte mal in der absoluten Einsamkeit des Hochlandes. Ab morgen war ich wohl wieder in der Zivilisation unterwegs.

Bilder der Tages:

16. August 2005
nach Svartárkot




Die Wolken kamen über Nacht zurück. Auch wenn es morgens noch trocken war, es sah nicht so aus, als würde das noch lange so bleiben. Ich frühstückte jedenfalls kurz, schrieb dann noch einen Gästebucheintrag und packte meine sieben Sachen zusammen. Ich kam recht früh auf die Beine und ließ die Hütte hinter mir. Ohne zu bezahlen, das musste ich in Akureyri nachholen. Meine letzten paar Kronen-Münzen passten einfach nicht in den Briefkasten.
Als ich etwa die 500 Meter weit bis zu den Quellen gelaufen war, begegnete mir schon wieder der VW Bus von gestern. In der Nähe der Suðurá-Quellen hatten die im Dachzelt übernachtet, und jetzt machten sie gerade ausgiebiges Frühstück. Ich überlegte kurz, ob ich mich noch dazusetzen wollte, aber nachdem ich ja gerade erst losgelegt hatte, wollte ich lieber den ersten Schwung noch eine Weile nutzen. Also grüßte ich freundlich und ging weiter.
Die Landschaft um mich herum war wieder völlig anders als am Tag zuvor. Eigentlich war es mir unvorstellbar, vor 24 Stunden noch im öden, schwarzen Dyngjufjalladalur gewesen zu sein, und auch das "leicht grüne Lavafeld" von gestern Nachmittag schien endlos weit entfernt zu sein. Das Grün, das ich jetzt um mich herum fand, war so üppig, wie seit langem nicht mehr. In einigen geschützten Senken hatten sich sogar Sträucher und Büsche niedergelassen. Wald sozusagen, für isländische Verhältnisse zumindest. Links neben mir floß die Suðurá, die seit den Quellen zu einem recht ansehnlichen Fluß geworden war. Kaum zu glauben, auf was für einer kurzen Strecke sich das ganze Wasser angesammelt hatte. Angeblich Regenwasser, das etwa 50 Jahre lang durch die Lavatunnel und Spalten im Ódáðahraun sickerte, bis es dann hier gut gefiltert wieder an die Oberfläche kam.
Die Piste musste sich hier nicht mehr ganz so sehr winden und schlängeln. Zwischen den Basaltfelsen hatte sich eine dicke Humusschicht gebildet, auf der es jetzt ganz gut voran ging. Und wie das typisch ist mit den Pisten auf isländischem Humus waren die Fahrspuren mitunter ziemlich tief in die umliegende Grasnabe eingesunken. Insbesondere wenn es mal wieder einen kleinen Hügel hinauf ging, waren die Spurrillen bis zum Knie eingegraben.
Als ich etwa eine Stunde unterwegs war, kam hinter mir langsam aber sicher der VW Bus angeschaukelt. Etwa eine Viertelstunde brauchten sie, dann hatten sie in einer kleinen Ebene einen minimalen Geschwindigkeitsvorteil und überholten mich. Wir grüßten uns zum dritten Mal mit dem Lächeln, noch so ein Verrückter. Noch mindestens eine weitere Viertelstunde lang brauchte der Bus, bis er hinter einigen Kurven mächtig schief stehend aus meinem Blickfeld verschwand. Also war so ein Bus doch noch etwas schneller als ein Fußgänger.
Ich genoß es dafür, die ersten paar Schafe seit vielen Tagen zu sehen, und überhaupt in so einer reichlich bewachsenen Gegend zu sein. Neben mir plätscherte der Fluß, irgendwo im Lavafeld zwitscherten ein paar Vögel. Gleich etwas ganz anderes als in der Wüste zu sein.
Nachdem ich etwa 7 km weit gelaufen war, kam ich an eine Wegkreuzung. Nach Nordosten ging es hier ab, vermutlich die zweite Piste zum Mývatn. Ich hielt mich eher in Richtung Westen. Schon seit einiger Zeit sah ich dort ein paar Hütten stehen, die auch in diversen Wegbeschreibung erwähnt waren. Und ich war auch sehr bald bei diesen Hütten angekommen. Ziemlich verfallen und heruntergekommen standen sie da, wahrscheinlich nur beim Schafabtrieb einmal im Jahr wirklich genutzt. Aber heute boten sie mir wenigstens einen kleinen Windschutz während meiner Pause, auch wenn ich nur draußen hinter der Ecke stand.
Mittlerweile wehte es ziemlich kräftig aus Osten. Das war mir zwar ganz recht, weil das für mich von hinten war, aber andererseits brachte der Wind wohl auch all die neuen grauen Wolken mit sich, die schon seit heute Morgen über dem ganzen Land lagen. Nachdem der Wind in den letzten Stunden immer kräftiger geworden war, vermutete ich, daß es wohl bald losgehen musste mit Regen und Sturm. Vorsichtshalber hatte ich schon morgens beim Losmarschieren die Regensachen angelegt, auch wenn es bisher ja immer noch trocken war.
Kurz hinter den Hütten gab es schon wieder eine Abzweigmöglichkeit. Diesmal hatte ich die Möglichkeit, aufs südliche Ufer der Suðurá zu wechseln. Der Fluß sah mittlerweile nämlich ganz schön tief aus, und nicht mehr so, als könne man ihn ganz problemlos furten. Aber an dieser Stelle führte eine Brücke aufs andere Ufer, und dort zu einem großen Schafszaun. Eigentlich wollte ich aber eher nordwärts und nach Svartárkot, also ließ ich den Abzweig links liegen.
Meine Piste führte zunächst noch am Fluß entlang, entfernte sich dann aber immer weiter. Die blanken Lavafelsen, die vor einiger Zeit noch regelmäßig aus der Vegetationsdecke herausragten, blieben auch mehr und mehr zurück. Statt dessen wucherten jetzt immer mehr niedrige Sträucher zu beiden Seiten des Weges und es ging immer öfter über ein paar flache Hügel. Am Rand dieser Hügel gab es manchmal auch kleine Abbruchkanten, wo die Gräser in der Luft zu hängen schienen und die Wurzeln in einem dichten Geflecht zum Vorschein kamen. Da stellen sich die Schafe bei Regen und Sturm besonders gerne unter, und deswegen begegneten mir jetzt auch immer mehr braune Schafe, anstatt der üblichen weißen.
Etwa 5 km hinter den Schäferhütten machte die Piste dann einen Bogen nach Norden. Die Suðurá, die ein paar hundert Meter südlich einen weiten See bildete, ließ ich somit endgültig hinter mir. Ansonsten änderte sich die Landschaft nicht allzusehr. Auch wenn schon lange alles darauf hindeutete, erst ein ganzes Stückchen später sah ich das erste richtige Haus. Das erste seit Anfang der Wanderung, das nicht nur eine einfache Wanderhütte war. Direkt vor mir ging die Piste einen letzten Hang hinunter, dann in deutlich weniger hügeligem Gelände etwa einen Kilometer nordwärts, und dort stand auf einer Anhöhe der Bauernhof Svartárkot. Und rechts neben dem Hof lag ein recht großer See, der Svartárvatn. Aber was mich viel mehr faszinierte, an dem Hof brannte am hellichten Tag eine Außenlampe. Na wenn das noch keine Zivilisation ist!
Das letzte Stück war schnell geschafft, dann stand ich an einem Zaun mit einem Tor. Seit den Schäferhütten hatte ich schon zwei solche Tore durchquert. Dieses war aber nicht einfach nur irgendwo in der Landschaft, sondern direkt neben der Farm oder bessergesagt Scheune. Jenseits des Tores war die Piste erstmal eine Scheunenausfahrt, und das heißt, mit einer ordentlichen Schicht Kuhdung überpflastert. Ich machte einen großen Bogen um die Pfützen, wurde dann gleich mal von einem ganzen Rudel Hunde mit lautem Bellen begrüßt, und ging trotzdem weiter um die Scheune herum. Dann erst sah ich die eigentlichen Wohnhäuser. Zwei große aus Stein und ein kleines Sommerhaus aus Holz. Und irgendwo dazwischen floß die Svartá aus dem Svartárvatn ab, und eine kleine Brücke führte über den Bach. Eine gemütliche kleine Farm also, bloß war keine Menschenseele zu sehen. Ein großes Räumfahrzeug vom Vegagerðinn fuhr gerade nach Norden auf der Straße davon, die Hunde tollten immer noch in respektvollem Abstand von mir herum, ansonsten war alles wie ausgestorben.
Als ich am anderen Ufer der Svartá war, ließen die Hunde mir endlich meine Ruhe, also setzte ich mich erstmal an den Straßenrand und packte einen Müsliriegel aus. Es hatte zwischenzeitlich schonmal kurz genieselt, und eigentlich fühlte ich mich ziemlich müde. Ich war heute zwar erst 15 km gelaufen, aber ich fühlte mich nicht danach, noch weiterzumarschieren und dann irgendwo zwischen den Weiden neben der Straße zu zelten. Außerdem waren meine 9 Paar Akkus ziemlich aufgebraucht, und eine Nacht in richtiger Zivilisation mit Steckdose und warmem Wasser täte mir sicher nicht schlecht. Hier in Svartárkot sollte es eine Unterkunftsmöglichkeit geben, bloß wo?
Ich ging kurzerhand zu einem der beiden Wohnhäuser hin und klingelte. Eine ältere Isländerin machte mir auf, und ich fragte nach einer Unterkunftsmöglichkeit. Sie schien nur recht wenig englisch zu können, aber kurz darauf kam sie mit ihrem Mann zurück und sie führten mich zu dem Sommerhäuschen aus Holz. Mit einem bißchen Isländisch und einem bißchen Englisch zeigten sie mir das Haus und fragten, wo ich herkäme und staunten nicht schlecht, daß ich halb Island durchquert hatte. Nebenbei kehrten sie noch ein bißchen aus und richteten alles ein bißchen her. Das Sommerhaus war recht groß, mindestens groß genug für eine ganze Familie. Es gab ein Bad mit Dusche und warmem Wasser. "Ist nur ganz klein und sehr einfach" meinten die beiden entschuldigend. Eine Dusche! Wahnsinn! Und es gab sogar ein Wohnzimmer mit Fernseher, eine richtige Küche und richtige Betten!
Recht bald verschwanden die beiden wieder, vor lauter Staunen kam mir erst hinterher der Gedanke mit dem Geld und so. Naja, koste es was es wolle. Nachdem ich mich aus den Regensachen gepackt hatte, probierte ich gleich mal die Dusche aus. Ein Genuß! Frisch gewaschen packte ich meine mobile Festplatte mit eingebautem Ladegerät aus und lud den ersten Satz Akkus neu. Als ich es mir gerade mit ein paar Keksen und meinem Buch gemütlich machte, ging draußen ein richtiger Sturm los. Es schüttete ziemlich und auf dem kleinen See, den ich von "meiner" Hütte aus gerade noch sah, waren ziemlich große Wellen unterwegs. Auch wenn ich den halben Nachmittag noch hätte Laufen können, hier zu bleiben war wohl doch die richtige Entscheidung.
Ich schaute mir auf meinen Landkarten und dem ausgelegten Infomaterial über das Þingeyjarsveit meine nächsten paar Tagesetappen an. Morgen stand wohl eine eher langweilige Etappe an, die mir auf der ganzen Planung ein bißchen ein Dorn im Auge war, ich musste entlang der Straße erstmal ins Bárðardalur und dort dann weiter solange bis ich zu einer Brücke kommen würde. Insgesamt etwa 20 km. Auf der anderen Flusseite direkt hinter der Brücke gab es ein Ferðaþjónusta Kíðagíl, mit Restaurant, Schlafsackunterkünften und Zeltplatz. Und ungefähr dort musste auch der Wanderweg ins Fnjóskadalur anfangen. Und wie ich dann genau nach Akureyri kam, musste ich vor Ort herausfinden.
Bei einigen Tassen Tee und gelegentlichem Hinausschauen in den Regen las ich auch noch, daß das Þingeyjarsveit seinen Namen von einer alten Þingstätte auf einer Insel im Skjalfandafljót hatte. Aber die war zu weit nördlich, als daß ich daran noch vorbeikommen würde. Außerdem fand ich heraus, daß man hier überall ganz toll angeln können soll, und daß jeder Farmer irgendwelche Angelgenehmigungen verkaufte. Und im Gästebuch las ich, daß auch in diesem Sommerhaus regelmäßig Angler vorbeikamen. Bei all dem Lesen wurde es bald spät und nach einem Abendessen verkroch ich mich in meinen Schlafsack, heute mal auf einem richtigen Bett.

Bilder der Tages:

17. August 2005
Bárðardalur





Am nächsten Tag war ich früh auf, und zu meiner Überraschung schien die Sonne. Es waren zwar auch noch eine Menge Wolken am Himmel, aber dazwischen war tatsächlich blauer Himmel! Weil ich so früh dran war, packte ich nach dem Frühstück erstmal meine Sachen zusammen und stiefelte dann eine kleine Runde über die Farm. Zur Pferdeweide und zu den alten Farmhäusern aus Torf, die heute als Abstell- und Räucherkammer Verwendung finden. Als ich dann dachte, daß die Leute auf der Farm doch auch schon längst wach sein mussten, klopfte ich wieder beim Wohnhaus und ging dann einfach hinein, nachdem niemand reagierte. Sie saßen grade alle beim Frühstück zusammen mit einem Nachbarn oder so, und diskutierten lautstark. Naja, mit einem bißchen Isländisch und einem bißchen Englisch konnten wir uns wieder ganz gut unterhalten. Die Übernachtung kostete nur 1700 ISK, also eigentlich ziemlich günstig. Leider konnte ich aber nicht mit Karte bezahlen, und hatte nicht ganz genug in Bar dabei. Ich gab ihnen einfach alle meine verbleibenden Kronen, was auch genug war, und hoffte dann, daß ich demnächst wiedermal irgendwo mit Karte zahlen konnte. Aber ein bißchen peinlich ist mir das bis heute.
Nagut, ich schulterte meinen Rucksack und machte mich auf die Socken. Auf der Straße zu gehen war eigentlich gar nicht so schlimm, wie ich gefürchtet hatte. Verkehr gab es praktisch keinen, am ganzen Tag sind mir etwa 10 Autos begegnet. Die Straße war eine dieser nicht-asphaltierten isländischen Landstraßen, und die Landschaft um mich herum war in strahlenden Sonnenschein getaucht. So konnte ich auch zum ersten Mal bis zur Askja zurückschauen, auch wenn ich die Jónsskarð auf die Entfernung nicht mehr ganz genau ausmachen konnte. Nach dem gestrigen Kartenstudium konnte ich auch mit den meisten anderen Bergen etwas anfangen, vor dem Herðubreið lag die Kollóttadyngja, nördlich ein paar Herðubreiðarfjöll, und fast genau östlich von mir verdeckte jetzt der Sellandafjall fast schon den Búrfell. Dazwischen überall leuchten grüne Wiesen und der im Sonnenlicht glitzernde Svartárvatn.
Eines der Autos, das mir begegnete, war von der Veðurstofa Íslands, erst fuhr es nach Süden kurz nachdem ich in Svartárkot losgelaufen war. Etwa eine Stunde später kam es von hinten wieder zurück. Der Wagen hielt an und der Fahrer fragte mich, ob er mich mitnehmen sollte. Nein danke ich will laufen, sagte ich. Darauf meinte er, das könne er sehr gut verstehen, grüßte mich nochmal freundlich und fuhr dann wieder seines Weges.
Eine weitere interessante Begegnung hatte ich kurz bevor ich zum Hof Viðiker kam, der nächste Nachbarhof etwa 9 km nördlich von Svartárkot. Ein Jeep, der ebenfalls zuerst mal nach Süden an mir vorbeifuhr, wenig später aber wieder zurückkam. Neben mir wurde gehalten, das Fenster runtergefahren, und ich wurde auf Englisch mit einem starken französischen Akzent gefragt, ob ich wüßte, wo die Straße zum Sprengisandur langführte. Sie zeigten mir eine dieser ganz einfachen Karten, wie man sie wohl vom Autovermieter kostenlos mitbekommt, so eine wo die Ringstraße und die wichtigsten Städte eingezeichnet waren. Jedenfalls hatte ich auch meine Probleme, ihnen anhand dieser Karte klar zu machen, wo sie waren. Nach einiger Zeit hatten sie aber doch endlich eingesehen, daß sie zurück zur Brücke und dann auf die andere Seite vom Fluß mussten. Ein bißchen ein schlechtes Gewissen hab ich bis heute, jemanden dermaßen schlecht vorbereitet auf den Sprengisandur zu schicken.
Bei der Abzweigung zum Hof Víðiker begegneten mir wieder die unverzichbaren isländischen Hunde und ich wurde lautstark angebellt. Außer Reichweite machte ich dann meine erste Pause mit Müsliriegel. Es war zwar sonnig, aber nicht allzu heiß. Eigentlich kam ich mit meiner dicken Jacke ganz gut klar, ohne zu schwitzen. Die dunklen Wolken zogen nach wie gemächlich vor von Süd nach Nord über den Himmel, aber richtig nach Regen sah es auch nicht aus.
Hinter Víðiker ging es in ein paar Kurven hinunter ins Bárðardalur. Schon als ich 2002 mit dem Fahrrad vom Sprengisandur kommend bis zum Goðafoss in diesem Tal entlang gefahren war, kam es mir ziemlich endlos vor, lang, eng und endlos. Den Eindruck hatte ich jetzt zu Fuß auch wieder, obwohl ich erst am Anfang der Strecke durch das Tal stand. Immerhin war die Landschaft recht angenehm grün, stellenweise gab es sogar Bäume, oder bessergesagt Büsche.
Westlich neben der Straße floß hinter einigen Hügeln irgendwo die Svartá, die sich mit der Suðurá vereinigte und dann in den Skjalfandafljót mündete. Die ersten beiden Flüsse hatte ich seit ihrer Quelle verfolgt, und beides waren klare Quellwasserflüsse. Der Skjalfandafljót war hingegen ein trüb braun grauer Gletscherfluss der eine Menge Sedimente mit sich führte. An der Mündung der beiden Flüsse mischte sich das Wasser nicht, statt dessen floß auf der rechten Seite der klare, schwarzgrüne Anteil und weiter links der graubraune. Und das änderte sich auch die nächsten Kilometer lang nicht, genaugenommen die ganze Zeit über nicht, die ich am Fluß entlang ging. Wahrscheinlich merkt man das aber auch nur, wenn man am rechten Ufer unterwegs ist. Zumindest konnte ich mich nicht erinnern, das auf meiner Radtour vom anderen Ufer aus schon gesehen zu haben.
Der nächste Hof hinter Víðiker war Rauðafell, etwa 4 km weiter. Dort gab es eine kleine Ablagefläche für Post und größere Pakete direkt an der Straße. Perfekt geeignet, um wiedermal den Rucksack abzustellen und eine kleine Pause zu machen. Nochmal 4 km weiter ging es am Hof Lundarbrekka vorbei. Diese paar Höfe waren dann aber auch alles, was man es hier an Siedlungen gab. Deswegen war auf der Straße ja auch so gut wie kein Verkehr unterwegs.
Hier unten im Tal hatte der Wind mittlerweile auf Norden gedreht. Und von Norden her kamen immer dichtere Regenwolken. So war ich schon eine ganze Weile ohne Sonnenschein unterwegs und hatte sogar ab und zu ein bißchen Nieselregen. Und die Strecke zog und zog sich dahin, das Tal war eben doch endlos. Außerdem hatte ich die ganze Zeit noch nichtmal mein Ziel vor Augen. Erst kurz bevor ich an der Brücke stand konnte ich die massiven Betonpfeiler endlich sehen. Langsam war wieder Zeit, ein Nachtlager zu suchen, nachdem ich schon gute 20 km gelaufen war.
Im Bárðardalur führt auf jeder Flußseite jeweils eine Straße entlang, und die eine Möglichkeit, von der einen zur anderen Seite zu kommen, war die Ringstraße beim Goðafoss. Die andere Möglichkeit war hier direkt vor meiner Nase. Und der normale Weg, ins Sprengisandur-Hochland führte aus irgendeinem mir nicht ersichtlichen Grund auch über diese Brücke und überquerte somit den Skjalfandafljót, anstatt durchgehend am andern Ufer zu bleiben. Deswegen fürchtete ich fast ein wenig, auf der engen Brücke ohne Ausweichmöglichkeit mindestens einem breiten Fjallabíl zu begegnen. Aber ich erwischte einen günstigen Moment und kam problemlos ohne Gegenverkehr hinüber.
Auf der anderen Seite konnte ich dann schon die Hinweisschilder sehen, Ferðaþjónusta Kíðagíl rechts ab. Daran hielt ich mich und ein paar hundert Meter nördlich stand ich dann vor einem alten Schulhaus oder Kindergarten. Es machte einen ziemlich trotslosen Eindruck, und allzuviele Gäste schienen sich nicht hierher verirrt zu haben. Vielleicht verstärkte der einsetzende Nieselregen aber auch diesen Eindruck, als ich so einsam und alleine über den Asphalt am leeren Schulhof-Parkplatz ging. Drinnen im Gebäude gab es einen großen Speisesaal, der als Restaurant eingerichtet war. Alle Tische waren fein sauber gedeckt, überall brannte Licht, aber niemand war da. Damit dieser gespenstische Eindruck sich nicht noch mehr verfestigte, klingelte ich an einer kleinen Theke in einer Ecke des Saales. Wäre jetzt ein stämmiger Kerl mit blutigem Fleischermesser angekommen, hätte mich das nicht verwundert, aber so schlimm war es dann doch nicht.
Zelten kostete 1000 ISK pro Nacht und der Zeltplatz war hinterm Haus. Wenn schon das Zelten so teuer war, fragte ich lieber gar nicht erst nach Schlafsackunterkunft. Jedenfalls konnte ich hier mit Karte bezahlen und baute dann meine kleine Behausung im Gras hinter dem Schulgebäude auf. Der Wind kam mittlerweile eindeutig aus Norden und so suchte ich mir alles, was ich an Windschutz finden konnte. Bestimmt würde es morgen wieder regnen.
Da ich mit Karte zahlen konnte, gönnte ich mir außerdem gleich noch ein Stück Schokolade. Meine sonstigen Vorräte waren zwar schon etwas knapp, aber bis Akureyri würden sie gerade noch reichen. Nach den Nudeln zum Abendessen noch einen leckeren Nachtisch zu haben war jedenfalls ein sehr angenemher Luxus. Und mir gefiel der Gedanke immer besser, so eine lange Hochlandtour langsam ausklingen zu lassen, mit einsamen Zeltplätzen am Rande der Zivilisation, anstatt z.B. direkt aus dem Hochland in den Touristenrummel am Mývatn zu kommen. So schlief ich zufrieden ein und freute mich schon auf die letzten beiden Etappen ins Fnjóskadalur und in den Eyjafjörður.

Bilder der Tages:

18. August 2005
ins Fnjóskadalur







Eigentlich hatte ich für die Nacht schlechtes Wetter und Sturm erwartet, aber abgesehen von einem bißchen Regen wurde daraus nichts. Eigentlich war die Nacht sogar recht angenehm, auch die Beule in der Isomatte war ganz erträglich, wenn man die ganze Matte ein bißchen weniger stark aufblies. Bloß das Zelt musste ich nass vom Tau einpacken.
Bevor ich ganz aufbrach fragte ich nochmal drinnen im Restaurant, wo genau mein Weg eigentlich losging. Vom Nachbarhof Stóruvellir aus musste es am Hang entlang nordwärts aus dem Tal hinaus gehen und dann irgendwann über den Kamm des Vallafjall hinüber in ein kleines Hochtal, und von dort aus führte irgendwo eine Stromleitung hinunter ins Fnjóskadalur. Auf meine Frage wusste zunächst niemand so recht eine Antwort, bis endlich die richtige gefunden war, die Köchin. Die meinte, jaja, kein Problem den Weg zu finden, ganz einfach, fängt da hinten an. Tatsächlich war mir dort schon eine verdächtige Linie im Gebüsch am Hang aufgefallen, die möglicherweise auf den Pfad hinweisen könnte. Einfach da über die Wiesen und Zäune rüber, ist kein Problem, wurde mir gesagt. Na ich war ja mal gespannt.
Ich probierte tatsächlich die Abkürzung über die Wiesen und Zäune, anstatt erst auf der Straße zurück zum Hof Stóruvellir zu gehen. Die Zäune waren nicht so das Problem, auch mit Rucksack kam ich da irgendwie rüber. Aber die Wiesen waren alle ziemlich nass, so daß ich dann auch klatschnasse Hosen hatte, als ich drei Zäune später am Anfang des eigentlichen Pfades stand. Nagut, ohne Regenhose loszulaufen war vielleicht doch ein bißchen zu optimistisch, egal wie der Himmel ausschaut. Vor dem Weitergehen kramte ich den Kunststoffüberzug dann doch lieber heraus.
Der Pfad ins Fnjóskadalur hinüber war wirklich einfach zu finden. Er ging durch ziemlich dichtes Gestrüpp und Buschwerk, also einen Wald. Nicht zuletzt weil die Äste und Sträucher so nass aussahen hatte ich es vorgezogen, die Regenhose auszupacken. Geradewegs durchs Gestrüpp führte eine meist gut ausgetretene Spur, der ich zu folgen versuchte. Aber ärgerlicherweise teilte sich diese Spur ab und zu mal. Meistens spielte es keine Rolle, welchen der beiden Wege man nahm, aber einmal stand ich dann doch plötzlich in einem Sumpf aus Moos und von einem Weg war keine Spur mehr. Erst ein bißchen querfeldein weiter oben am Hang fand ich ihn wieder.
Immer wieder kreuzte der Weg kleine Bäche, die teilweise tief in den Hang eingegraben waren. Meistens waren diese Stellen dann auch ziemlich matschig, und meine Regenhose färbte sich von unten mehr und mehr rostrot vom Schlamm. Eine wirklich praktische Erfindung, so eine Regenhose. Aber besonders rund um die Bächer herum gab es auch massenweise Fliegen. Und gegen diese Fliegen hatte ich leider kein so praktisches Hilfsmittel wie eine Regenhose. Wenigstens waren es nur die harmlosen kleinen Dinger, die eigentlich nicht stechen und völlig harmlos sind, aber sie landen halt doch immer in Augen, Nase, Mund und Ohren und sind ziemlich nervig.
Es ging immer höher und höher am Hang hinauf, und je höher ich kam, desto lichter wurde das Gebüsch um mich herum. Und je lichter das Gebüsch wurde, desto weniger deutlich war der Weg zu erkennen. Aber in einiger Entfernung vor mir konnte ich die ersten paar Steinwarten erkennen, die den weiteren Weg markierten. Als ich insgesamt etwa 3 km weit gelaufen war, ließ ich auch das Gras und Moos hinter mir und hatte statt dessen in erster Linie Steine um mich herum. Zwischen den größten Brocken hindurch folgte ich jetzt einem mehr oder weniger gut erkennbaren Pfad. Wenig später stand ich neben der ersten großen Steinwarte und machte erstmal eine Pause. Denn hier oben gab es endlich keine nervigen Fliegen mehr.
Die Aussicht war immer besser und besser geworden, je höher ich kam. Mittlerweile hatte ich eine erstklassige Sicht über das Bárðardalur und ziemlich genau östlich von mir auf den Mývatn. Sogar die Dampfwolken der heißen Quellen konnte ich dort sehen, und auf Grund ihrer Farbe auch den Námafjall eindeutig identifizieren. Ein bißchen trüb war es zwar, aber richtig schlechtes Wetter war eigentlich gar nicht. Vom Norden her kamen aber einige niedrige Wolken im Tal entlang gezogen, die auf meiner Höhe wohl eher als Nebel ausfallen würden. Aber zwischen all den vielen Wolken lugte auch immer wieder mal die Sonne hervor.
Ich verabschiedete mich von meinem Aussichtspunkt, vom Bárðardalur und vom Mývatn. Von einer Steinwarte zur nächsten wanderte ich jetzt auf dem ausgetretenen Pfad über den Rücken des Vallafjall. Dahinter kam ich in eine flache Senke, die von einem kleinen Bach durchzogen war und, ähnlich zu so mancher feuchten Senke im trockenen Hochland, sofort dicht mit Gras und Moos bewachsen war. Und hier verliefen sich Weg und Wegmarkierung irgendwie. Oder ich war einfach zu blind, sie weiter zu sehen.
Also lief ich einfach mal direkt zum Bach hin und suchte mir selber eine günstige Übergangsmöglichkeit. Leider war der Bach aber tiefer als gedacht, und ich musste doch nochmal meine Sandalen herauskramen und richtig furten. Auf der anderen Seite überlegte ich mir dann aufs Neue, wo denn eigentlich der markierte Weg abgeblieben war, den ich vorhin noch hatte. Immerhin konnte ich mich noch an der Landschaft orientieren und erkannte nördlich von mir das Eyjadalur, das zurück ins Bárðardalur führte und dessen Verlängerung in der anderen Richtung zum Fnjóskadalur ging. Durch diese beiden Täler verlief auch irgendwo eine Stromleitung, zumindest der Karte nach. Spätestens wenn ich die gefunden hätte, konnte ich mich gar nicht mehr verlaufen, egal ob mit oder ohne Weg.
Als ich so ein Stückchen über die buckelige Þúfur-Wiese gestolpert war, wurde mir das aber doch zu blöd. Ich sehnte mich zurück nach einem richtigen Weg. Und jetzt fand ich auch einen, viel weiter westlich. Bei einem Blick auf die Karte stelte ich später fest, daß ich wohl einfach das ganze Tal mit Bach und Wiese ein kleines Stückchen weiter südlich und westlich umgehen hätte können, ohne nasse Füsse und ohne verlorenem Weg. Aber was solls, ab hier waren die Steinwarten wieder recht dicht gesetzt und der Weg war im Geröll nicht zu verfehlen.
Etwa 8 km nachdem ich aufgebrochen war, erreichte ich die Stromleitung, die hier von einem Tal ins andere hinüber führte. Neben der Stromleitung war eine undeutliche Piste zu erkennen, die hier oben irgendwo im Geröll anfing und hinunter ins Fnjóskadalur führte. Parallel zur Piste verlief ein Wander- und Reitweg, dem ich lieber folgte, als dieser Piste.
Es ging am linken Ufer eines teilweise recht tief eingeschnittenen Baches entlang und langsam aber stetig abwärts ins Fnjóskadalur. Und es war wieder recht dicht bewölkt, als ich ins Tal hinunterstieg. Aber es war trocken, und mit den schweren grauen Wolken gefiel mir das Licht und der Gesamteindruck vom Tal eigentlich auch recht gut. Je weiter ich kam, um so mehr konnte ich ins Fnjóskadalur hinunterschauen und die "bewaldeten" Hänge auf beiden Seiten das Tales sehen. Eigentlich waren es doch eher die typischen kleine Büsche und Sträucher, aber weiter nördlich gibt es vor allem am Talgrund tatsächlich richtigen Wald, der es durchaus mit einem normalen mitteleuropäischen Wald aufnehmen kann.
Von oben konnte ich auch schon den weiteren Verlauf von Weg, Tal und Fluss ausmachen. Ich kam an der Bakká heraus, einem Nebenfluß der Fnjóská, und die Piste führte unten erstmal durch den kleinen Bach, dem ich folgte, und dann parallel zur Bakká nordwärts im Tal entlang. Und am Anfang der offiziellen Piste, also da wo ich steil den Hang hinunter kam, lag der hinterste Hof des Tales. Ein einsames weißes Häuschen mitten in der Landschaft mit dem Namen Sörlastaðir. Um die Talbiegung herum konnte ich leider mein Tagesziel Illugastaðir noch nicht ausmachen, aber im Gegesatz zum gestrigen endlosen Bárðardalur störte mich das hier nicht weiter, und ich fühlte mich im Fnjóskadalur viel wohler.
Daß ich mich viel wohler fühlte lag vielleicht daran, daß das Tal sehr viel breiter war und nicht so ein langer Schlauch wie das Bárðardalur. Vielleicht lag es auch daran, daß direkt neben der Straße sehr viele Sträucher waren, teilweise schon rotgefärbte Heidelbeerbüsche, violettes Heidekraut, ein paar gelbe Tupfer, darin immer wieder graue Felsbrocken. Die Landschaft war also insgesamt viel wilder und urwüchsiger als im Bárðardalur. Und die Straße war eher ein Feldweg, daß mir hier heute noch ein Auto begegnete konnte ich nahezu ausschließen.
Unten am Talgrund hüpfte ich erstmal auf ein paar Steinen über den kleinen Bach und ging dann durch das Tor im Schafszaun auf die Hauswiese von Sörlastaðir. Das niedliche kleine Haus gefiel mir irgendwie, schön hergerichtet und frisch gestrichen, daneben ein paar kleine Bäume die kaum über das Dach hinausragten. Weit und breit war kein Auto zu sehen. Im Moment war wohl niemand zuhause und das Ganze wurde nur gelegentlich mal als Sommerhaus genutzt. Mir begegneten noch eine ganze Reihe weiterer Sommerhäuser im Fnjóskadalur, aber keines hatte so einen Charme wie dieses.
Weiter ging es auf dem Feldweg durch eine recht abwechslungsreiche Landschaft, mal mit einigen Felsbrocken von einem Bergsturz, mal mit dichteren Büschen, also Wald. Während ich so entlanglief, merkte ich gar nicht, wie die Kilometer verflogen. Es sollten noch etwa 10 km sein von Sörlastaðir bis Illugastaðir, aber so wie ich mich fühlte hätten es auch noch 15 oder 20 sein dürfen. Irgendwann kam ich an einer kleinen Brücke vorbei, die nach Süden abzweigte und über der Bakká führte. Dort bei der Abzweigung stand ein steinalter graublauer Landrover. Ich wunderte mich nicht schlecht, daß ich hier also doch noch einem Auto begegnete, aber solange es nur herumstand, störte es mich nicht weiter.
Immer wieder kamen von der Bergwand rechts kleine Bäche herunter, die in die Bakká und Fnjóská flossen. Da musste ich mir immer aufs neue einen Weg hinüber suchen, was eigentlich auch durchweg ohne nasse Füsse ging. Als ich aber schon wieder eine ganze Ecke seit der Brücke zurückgelegt hatte, stand ich an einem größeren Bach, über den ich nicht so einfach rüberkam. Auf die Watsandalen hatte ich keine Lust, und während ich mich mühselig von Stein zu Stein über ein paar Nebenarme kämpfte, kam von hinter mir der steinblaue Landrover angetuckert.
Neben mir hielt er und ein älterer Isländer meinte, ich solle doch einsteigen. Nagut, warum nicht, zumindest über diesen Bach rüber. Nachdem das schon wieder einer der Isländer war, die kein Englisch sprachen, gestaltete sich die Kommunikation etwas schwierig. Außerdem klapperte und schepperte schon bei Standgas das ganze Auto. Eigentlich hätte ich dem guten Mann gerne sagen wollen, daß ich vorhatte, zu laufen, und nur bei dem Bach keine Lust auf Furten hatte. Aber das gelang mir erst, als wir hundert Meter weiter bei einem Schafszaun mit Tor ankamen. Ich stieg aus, machte das Tor auf und winkte dem alten Mann mit dem Jeep noch dankbar hinterher.
Der Schafszaun war auf einer kleinen Anhöhe und von hier aus konnte ich schon den Vaglaskógur und Illugastaðir im Norden sehen. Oder zumindest erahnen. Je weiter ich kam, desto mehr Sommerhäuschen tauchten auf dem gegenüberliegenden Flussufer auf. Alle identisch, aus Holz mit großer Glasfront und überdachter Terasse davor. Und neben den Häuschen stand jeweils ein dicker Stadtjeep, vollgestopft mit Koffern, Kühlboxen und Spielsachen für die Kinder. Alles in allem, je näher ich dem Örtchen Illugastaðir kam, desto mehr wunderte ich mich, ob es in diesem Luxusferiendomizil wohl so etwas wie einen einfachen Zeltplatz gab.
Rechts der Piste waren jetzt die Ausläufer des Vaglaskógur zu sehen, mit richtigen Bäumen und nicht nur so ein paar niedrigen Büschen. Auch im Wald versteckt gab es einige der Ideal-Standard Holzsommerhäuser mit dickem Jeep und Zubehör. Als ich schließlich über die alte Stahlbrücke auf die andere Seite der Fnjóská ging, fiel mir auf, daß ganz Illugastaðir von einem Zaun umgeben war mit einem großen Tor, und innerhalb des Zaunes war feinster englischer Rasen, der dann auch von zwei motorisierten Rasenmähern gleichzeitig gepflegt wurde. Die Einzelteile des dritten lagen gerade vor einer großen Halle und einige Isländer mit Werkzeugkästen und Ölkansiter standen drum herum. Auf dem großen Parkplatz neben der alten Kirche stand auch der steinblaue Landrover von vorhin, aber hier wirkte er irgendwie deplatziert zwischen all den sauber geputzen Neuwägen. Ob es in diesem piekfeinen Etablissement wirklich einen Zeltplatz gab?
Ich ging einfach mal hin und fragte nach. Erstmal wurde ich weitergeschickt, frag den Chef, der ist da drüben. Und der Chef schaute mich dann ganz verdutzt an, als hätte ich gefragt, ob ich vielleicht seinen schöngepflegten Rasen zu einem Acker umgraben dürfte. Da, auf der anderen Flusseite, links von der Brücke, oder da rechts von der Brücke, überall wo ich wollte, da drüben auf der anderen Seite vom Fluss dürfte ich zelten. Nagut, einen Versuch wars ja wert, und jetzt hatte ich immerhin sowas wie eine Genehmigung. Also schleppte ich meinen Rucksack wieder durch das Tor und über die Brücke und fand dann direkt neben der Straße unterhalb einer kleinen Böschung einen halbwegs schönen Zeltplatz.
Etwa 10 km weiter nördlich hätte es auch einen sehr schönen richtigen Zeltplatz gegeben, mitten im Vaglaskogur. Allerdings hätte ich die 10km dann morgen zurücklaufen müssen. Nachdem es ansonsten im ganzen Tal nur Sommerhäuser zu geben schien, war ich mit meinem Flecken eigentlich ganz zufrieden. Das Kochwasser holte ich aus der Fnjóská, allerdings war mir das etwas suspekt, nachdem es ja schon mindestens 10km durch teilweise landwirtschaftlich genutztes Gebiet geflossen war. Zum Glück hatte ich außerdem noch einen kleinen Vorrat zum Trinken aus dem Bárðardalur mitgebracht. Als Abendessen gab es zur Abwechslung wiedermal Nudeln, dann überlegte ich noch ein bißchen, ob ich noch einen kleinen Spaziergang machen wollte, entschied mich aber auf Grund der einsetzenden Dämmerung doch dafür, auf der Karte und meinem Routenplan nachzuschauen, wo genau mein morgiger Weg langführte. Außerdem sortierte ich ein wenig meine Unordnung, die Zettelwirtschaft, die ich mir zusammengesammelt hatte und ab morgen nicht mehr brauchen würde und ähnliches.
Es war ja schon fast Ende August, also wurde es auch schon früh dunkel. Und so blieb mir nicht viel mehr zu tun, als mich in meinen Schlafsack zu verkriechen. Nur noch einen Tag auf Wanderung.

Bilder der Tages:

19. August 2005
nach Akureyri










Als ich am nächsten Morgen aufwachte, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Zum ersten Mal in den 3 Wochen, die ich jetzt in Island war, hatte ich einen richtig strahlend blauen, wolkenlosen Himmel. Also genau das Traumwetter, auf das ich die ganze Wanderung jeden Tag gewartet hatte. Und jetzt, am letzten Tag vor Akureyri, da hatte ich es endlich. Richtig fies kann Island manchmal sein!
Aber anstatt mich lange zu ärgern, machte ich lieber schnell Frühstück und packte meine Sachen. Heute wurde auch das Regenzeug tief vergraben, denn auch als ich mich eine Weile später endlich auf die Socken machte war noch nichtmal die Spur einer Wolke zu sehen. Außerdem gab es Südwind, während gestern noch eher Nordwind vorherrschte. Für den Norden bedeutete das wahrscheinlich weiterhin solches Traumwetter für die nächsten Tage. Meine Sonnencreme hatte sich ja auf dem Hinflug in meinem Deckelfach verteilt und Ersatz hatte ich mir nicht besorgt. Auf der ganzen Tour hatte ich sowas auch nie wirklich vermisst. Aber heute schon.
Ich ging erstmal ein drittes Mal über die Fnjóska-Brücke. Auf der Westseite musste ich dann ein Stückchen auf der Straße Nr. 833 gehen. Genaugenommen fängt der eigentliche Wanderweg hinüber in den Eyjafjörður erst bei Grjótagerði hinter der Brücke über die Grjótá an, aber die anderthalb Kilometer dazwischen musste ich halt auch noch schnell überwinden. War aber gar nicht so schlimm, wie schon die dreistellige Straßennummer erahnen läßt handelt es sich nicht gerade um eine wichtige Hauptverkehrsstraße, und so begegneten mir auch nur zwei Autos, bis ich endlich die Straße hinter mir ließ.
Die ganze Zeit zweigten mehrere kleine Pisten ab, auf den Talrand zu. Dort konnte ich in einiger Entfernung die Stromleitung sehen, der ich in groben Zügen über die Berge folgen musste. Aber ich wartete mit dem abzweigen noch auf die Brücke über die Grjótá. Auch wenn das Flüsschen mit keinerlei Schild gekennzeichnet war und auch der Hof Grjótagerði verlassen ist und von der Straße aus nicht zu erkennen, die richtige Abzweigung war mit offenen Augen doch recht eindeutig zu finden.
Nun ging es in groben Zügen parallel zum Bach auf den Talrand und auf die Stromleitung zu. Der Weg war aus recht grobem Schotter und erinnerte eigentlich eher an ein Bachbett als an eine Piste. Aber die Grjótá war doch noch ein Stückchen unter und neben mir, und außerdem floß dort auch wirklich Wasser. Als ich schon recht nah am Talrand war, wurde das Bachbett der Grjótá zunemhend breiter und flacher, und es hatten sich sogar einige kleine Bäume darin angesiedelt. Und ein paar Dauerwohnwagen gediehen dort scheinbar auch prächtig. Aber von deren Bewohnern war keine Spur zu sehen.
Bald endete die Piste, bzw. sie machte einen deutlichen Knick nach Norden und war jetzt eher braun und erdig, anstatt grau und steinig. Sie folgte ab sofort dem Talrand und kletterte langsam aber sicher immer höher hinauf. Schon von ganz unten hatte ich einen recht schönen Blick über das ganze Tal, und der wurde immer besser. Im Norden ragten die Berge der Kinnafjöll und Flateyjardalsheiði in den strahlend blauen Himmel, im Tal davor Felder in verschiedenen Grüntönen und dazwischen eingestreut weiße und rote Höfe. Auf den gegenüberliegenden Talhängen zogen sich dunkelgrüne Wälder ziemlich weit hinauf und gingen dann in hellere dunkelgrüne Büsche und Sträucher über. War ich noch vor wenigen Tagen im schwarzen Wüstensand mit grauem Himmel unterwegs, fühlte ich mich jetzt in ein völlig anderes Land versetzt.
Mein Weg war wie gesagt braun und erdig und außerdem schon lange nicht mehr von einem Auto befahren. Dafür hatten zahlreiche Pferdehufe den Boden aufgelockert und durchpflügt. An einigen Stellen floßen kleinere Bächer quer zu meiner Richtung ins Tal hinunter, und an diesen Stellen merkte ich, daß auch etliche Schafe diesen alten Weg noch nutzten. Teilweise musste ich mir einen weiten Bogen um die Schlammgruben suchen, die sich an den "Furten" gebildet hatten, und die schön mit Schafsmist aufgefüllt waren.
Außerdem merkte ich langsam aber sicher, daß es aufwärts ging. Mir wurde richtig heiß in der morgens noch angenehm wärmenden Sonne. An einem der zahlreichen Bäche machte ich dann eine Pause und überlegte mir zum ersten mal auf der Reise, wo ich eigentlich meine dicke Jacke unterbringen könnte, wenn ich sie mal nicht an hatte. Auch wenn alle Belüftungsschlitze offen waren, heute war sie einfach zu warm. Da meine Essensvorräte aber ziemlich dezimiert waren, konnte ich sie noch irgendwo in den Rucksack hineinstopfen, und ging dann nur noch im T-Shirt weiter. Das würde wohl einen ziemlichen Sonnenbrand geben.
Ich fand es unheimlich angenehm, daß alle paar hundert Meter ein neues Bächlein den Weg kreuzte. Einige davon waren künstlich zu kleinen Seen aufgestaut, wahrscheinlich für die Trinkwasserversorgung unten im Tal. Andere versorgten auch mich mit frischem Wasser. Bei einer solchen Trinkpause begegneten mir dann zum ersten mal, seit ich bei der Hütte in der Lónsöræfi losgelaufen war, ein paar andere Wanderer. Drei Isländer, die nur leichtes Tagesgepäck dabei hatten. Offensichtlich waren sie aus Akureyri und wollten heute vom Fnjóskadalur aus dorthin zurückwandern. Sie grüßten mich freundlich aber kurz, und mit ihren leichten Rucksäcken hatten sie mich ziemlich schnell überholt.
Sehr bald nach dieser Begegnung hatte ich die nächste größere Wegbiegung erreicht. Die Schlucht Sölvagíl kam von links aus den Bergen herunter, und die Piste bog hier aus dem Fnjóskadalur ab, um ihr zu folgen. Mitterweile hatte ich einen traumhaften Überblick über das gesamte Fnjóskadalur, von den Bergen im Süden, wo ich gestern heruntergekommen war, bis nach Norden, wo das Flateyjardalur abzweigte und einzelne schneebedeckte Gipfel der Kinnafjöll und der Blámannsháttur aufragten, der höchste Berg in der näheren Umgebung. Nachdem ich mich sattgesehen hatte, folgte ich dem weiteren Wanderweg aufwärts entlang der Sölvagíl.
Genaugenommen hatte ich die Auswahl zwischen der Piste und einigen kleinen Schafs- oder Trampelpfaden links davon. Ich entschied mich für die Schafspfade, denn dort hatte ich überall sonnenbeschienenes Gras um mich herum und zu meinen Füßen. Wieder ein komplett neues Islandgrün. Aber wenige hundert Meter weiter war dann die Piste die einzige Alternative. Die Landschaft war zunehmend felsiger geworden und der kleine Bach am Grund der Sölvagíl hatte hier in einem kleinen Wasserfall einige besonders große Steine zu überwinden. Die Piste führte etwas oberhalb dieser Steine auf die andere Bachseite, ich kam trockenen Fußes auf die andere Seite.
Nun verlor sich die Piste aber endgültig. Ein paar Steinmännchen markierten den weiteren Weg, abgesehen davon hatte ich eine unzählige Menge von Fuß- und Hufspuren zur Auswahl, der ich in unterschiedlichen Richtungen folgen konnte. Die Stromleitung verlief weiter rechts, aber davon ließ ich mich nicht irritieren und folgte lieber den Steinmännchen, so gut es ging. Hier oben war ein kleines Hochtal, nach hinten konnte ich nicht mehr richtig ins Fnjóskadalur zurüsckschauen und nach vorne trennte mich noch ein letzter Bergrücken vom Eyjafjörður. An der Nordseite dieses Bergrückens führte die Stromleitung hinüber, die Steinmännchen machten erst noch einen Bogen um einen kleinen aber tief eingeschnittenen Bach zu umgehen. Hinter diesem Bogen ging auch ich in Richtung der Bíldsárskarð und des kleinen Einschnittes, dem die Stromleitung folgte.
Dort ging es vor mir plötzlich wieder bergab und ich hatte einen ersten Blick auf das Massiv von Súlur und Kerling, die Hausberge von Akureyri. Vom Eyjafjörður war noch nichts zu sehen, so steil bergab ging es nun auch nicht. Wiedermal folgte der Weg einem kleinen Bach, der erstmal sanft ins andere Tal hinunter floß. Die Stromleitung verabschiedete sich endgültig von meinem Weg und verlief auf der Nordseite der Schlucht weiter, während ich mich auf der Südseite hielt.
Sehr bald hatte ich das steinige Terrain hinter mir gelassen und wieder eine erdige Piste unter mir. Auch von einer richtigen Piste konnte man schon wieder sprechen, für einen Wander- oder Reitweg war es jedenfalls deutlich zu zweispurig. Links von mir ragten die nächsten paar grasbewachsenen Hänge der Vaðlaheiði auf, rechts ging es stellenweise ziemlich steil in die Schlucht zum Bach hinunter. Vor mir war noch eine kleine Anhöhe aber je weiter ich kam, desto mehr konnte ich Schritt für Schritt vom Eyjafjörður sehen, und von Akureyri. Und das alles bei blauem Himmel und richtigem Traumwetter. Wundervoll!
Man sollte vielleicht dazusagen, daß ich mal ein halbes Jahr lang in Akureyri gelebt und studiert hatte und mir die gesamte nähere Umgebung von diversen Radtouren ziemlich vertraut war. Auch wenn ich jetzt alles aus einer ungewohnten Perspektive sah und mich zuvor die meiste Zeit bei Schnee und Eis in dem Städtchen aufgehalten hatte, ein bißchen wie nach Hause kommen fühlte ich mich schon.
Ich kam mehr und mehr aus der engen Schlucht heraus und sah dementsprechend auch immer mehr und mehr vom Eyjafjörður. Abwärts ging es aber zunächst recht langsam, so daß ich weiterhin von meinem erhöhten Blickpunkt eine prima Aussicht hatte. Als es mir dann besonders gut gefiel, setzte ich mich eine Weile an den Wegrand und schaute einfach nur ins Tal, zu den Autos und Flugzeugen, den Pferden und vereinzelten Vogelschwärmen, die sich da unten tummelten. Auch wenn ich mich die ganze Reise nicht recht am Wetter erfreuen konnte, daß ich wenigstens heute so einen Traumtag erwischt hatte, dafür war ich doch dankbar.
Der weitere Weg wurde dann sehr bald steiler und steiler. Einige wenige Serpentinen, aber bekanntlich sind diese Konstruktionen den Isländern suspekt und sie nehmen selten allzuviel Gefälle aus den steilen Hängen. Für mich ging es ja nur bergab, also störte ich mich nicht allzusehr daran. Von oben konnte ich mir auch noch in etwa ausrechnen, wo ich rauskommen würde und wo mein weiterer Weg verlief. Zunächst mal musste ich wohl zum Talgrund, dann weiter auf meiner Piste ein Stück nach Süden und um ein paar Felder herum, und dann käme ich etwa in Kaupangur heraus. In der Atlaskort ist dieser Wanderweg zwar ganz grob eingezeichnet, aber aus irgendeinem Grund kommen die auf der anderen Seite von Bach und Schlucht heraus, was ich mir nicht recht erklären kann.
Kurz bevor ich ganz unten am Talgrund war, begegnete mir eine Pferdegruppe, was nach den vielen Hufabdrücken unterwegs eigentlich zu erwarten war. Zwei Isländer führten eine Herde von etwa 20 Tieren auf die Berge hinauf. Wir grüßten uns und ich machte ehrfürchtig Platz, bevor ich noch ausversehen niedergetrampelt wurde. Hinter der Pferdegruppe war der Weg dann frisch umgepflügt, sehr matschig und nicht mehr ganz so angenehm zum Laufen wie zuvor.
Aber ich hatte es auch fast geschafft. Bald hatte ich ein paar Zäune links und rechts von mir, hinter denen grüne Kornfelder lagen. Und der kleine Feldweg dazwischen war mit feinem Kies befestigt. Ein paar Zauntore musste ich noch durchqueren, aber die Dächer von Kaupangur waren nicht mehr weit. Schließlich ging es einen letzten steilen Hang hinunter, an dessen Fuß ich die erste Asphaltstraße seit Höfn erreichte. Alles in allem eher eine Spaziergehgegend als zum Wandern gemacht.
Aus der entgegengesetzten Richtung hätte ich den richtigen Weg ins Fnjóskadalur wohl nie gefunden. Er beginnt unscheinbar mit einem Reitweg-Schild, auf der anderen Seite führt der Reitweg genauso unscheinbar weiter ins flache Schwemmland der Eyjafjarðará. Aber oben vom Hang hatte ich nicht erkennen können, wo genau dieser Weg eigentlich endete. Ein kleines Stückchen weiter wußte ich hingegen, daß es einen richtigen breiten Weg gab, die alte Ringstraße, die garantiert nach Akureyri führte. Heute ist das ebenfalls ein Reit- und Fußweg, die alten Brücken würden dem Verkehr wohl kaum noch stand halten. Zu Fuß könnte ich dort bequem auf die andere Talseite kommen und wäre dann im Nu beim Flughafen von Akureyri.
Also marschierte ich erstmal das kleine Stück auf der Teerstraße entlang, oder soweit es ging daneben her. Nach etwa 500 Metern hatte ich meine Abzweigung erreicht. Die alte Straße war für Autos faktisch gesperrt und somit war das Gehen wieder sehr viel angenehmer. Mir begegneten nur noch einzelne Spaziergänger, vor allem ältere Isländer. In regelmäßigen Abständen gab es sogar Sitzbänke am Wegesrand. Irgendwie genoss ich diese letzten Kilometer so richtig, mit dem hohen Gras zu beiden Seiten, den vertrauten Bergen überall um mich herum und dem warmen Sonnenschein.
Auf drei Brücken überquerte ich später ein paar Nebenarme der Eyjafjarðará. Dann kam ich südlich des Flughafens auf die nächste Teerstraße. Auf der musste ich noch ein quälend langes Stück entlanglaufen, bis ich endlich beim Industriemuseum und der Eislaufhalle auf die kleineren Nebenstraßen ausweichen konnte. Am Nonnahúsið vorbei spazierte ich dann auf der Aðalstræti entlang, erstmal geradewegs zu Brynjas Eisbude. Dort gibt es bekanntlich das allerbeste Softeis von ganz Island und bei dem genialen Wetter gönnte ich mir zum Abschluss der Tour gleich mal eine extra große Portion davon. Lecker!
Dann ging ich auf meiner alten Rad-Ausfallstraße hinauf zum botanischen Garten, an der Menntaskólinn und der Statue des Geächteten vorbei, geradewegs von hinten zum Zeltplatz. Da war ein neuer Zaun drum herum gebaut, der mir zwar eher ein Gegenteiliges Gefühl zu Sicherheit vermittelte, aber immerhin standen alle Tore sperrangelweit offen. Dort angekommen stellte ich meinen Rucksack ab, rammte meine Wanderstöcke daneben in den Boden und genoss erstmal das Gefühl, angekommen zu sein.

Bilder der Tages:

20. August 2005
Der restliche Urlaub
Die Wanderung war beendet, jetzt konnte der Urlaub beginnen. Dementsprechend wurde das Wetter die nächsten paar Tage sonnig und warm, Regen und schlechte Sicht gab es vorerst nicht mehr. Am Zeltplatz mit Supermarkt und Freibad nebenan ließ es sich ganz gut leben, jeden Tag konnte ich Duschen, Kjötbollur mit Ananas zum Nachtisch genießen und die Waschmaschine am Zeltplatz hab ich auch reichlich genutzt. Außerdem konnte ich in Akureyri endlich für alle ausstehenden Hüttenübernachtungen nachbezahlen.
Eigentlich wäre ich gerne in mein altes Domizil im Gästehaus Gula Villa gezogen, aber Guðmundur hatte das Haus verkauft und war außerdem grade im Urlaub. Dafür hab ich etliche andere alte Bekannte getroffen, z.B. Dagrun mit ihrer Familie, Gustavo, der immer noch in der Blauen Kanne arbeitete. Auch bei der Uni schaute ich mal wieder vorbei, es ging gerade das Semester los und alle waren schwer beschäftigt. Trotzdem traf ich Rachel mit ihrem Baby und den Dekan der Informatik, Mark O'Brian, der mich sofort fragte, ob ich wieder mit dem Fahrrad bei den Kárahnjúkar unterwegs war...
Auch am Zeltplatz hatte ich eine ganze Reihe von netten Begegnungen, und am Tag meiner Weiterreise trafen sogar Frank und Sybille ein. Die beiden waren in Skógar losgelaufen, über den Sprengisandur, durch die Vónaskarð an den Gæsavötn vorbei zur Askja, und dann ein paar Tage nach mir und mit sehr viel besserem Wetter nach Norden aufgebrochen. Bei Botni zweigten sie aber in Richtung Mývatn ab, anstatt nach Akureyri. Jetzt wollten sie noch mit dem Bus ein bißchen in den Skaftafell Nationalpark und in ein paar Tagen würden wir uns dann wohl in Reykjavik wiedertreffen, oder spätestens in Keflavík beim Rückflug.
Aber zurück zu meiner Weiterreise. Ich hatte nämlich außerdem Kontakt mit Myriam im Svarfaðardalur. Sie nahm mich von Akureyri aus mit und ich hatte auf diese Weise noch ein paar sehr entspannte Tage im Gästehaus Skeið, mit Wanderung zum Skeiðvatn, Besuch der einen Nachbarn und bei den anderen Nachbarn im Skíðadalur. Sehr angenehm, und sehr entspannend nach der langen Wanderung!
Eigentlich hatte ich vor, von Skeið aus noch rüber zu wandern nach Hólar. Allerdings schlug dann das Wetter wieder drastisch um, ein eisiger Nordwind brachte Wolken und Schnee mit sich. Unten im Tal war es nur nass und kalt, aber auf dem Pass sah es eher weiß aus. Die Tour durch die Tröllaskagi verschob ich also auf meinen nächsten Besuch bei Myriam und ließ mich wieder mitnehmen nach Akureyri. Die Jugendherberge war ausgebucht, und so ging ich trotz des unangenehmen Wetters wieder an meine alte Stelle am Zeltplatz. Wieder alte Bekannte und wieder neue Gesichter. Außerdem gelang es mir endlich, mit Anne im Aðaldalur Kontakt aufzunehmen, die grade Kerstin aus Hvanneyri zu Besuch hatte. Nachdem die beiden bei dem Wetter keine rechte Lust auf Fotografieren hatten, machten wir noch ein kleines "Islandtreffen" in der Blauen Kanne, und ich bekam eine Mitfahrgelegenheit zum Flughafen.
Der Innlandsflug von dort nach Reykjavík war recht ereignislos, außer Wolken gab es fast nichts zu sehen. Zumindest nicht bis etwa über Þingvellir. Aber als wir in Reykjavík landeten hatte ich zum ersten Mal bei ich-weiß-nicht-wievielen Besuchen in der Stadt richtiges Traum-Sonnen-Wetter. Kaum zu glauben, daß ich noch am Morgen in Akureyri die Flüchtlinge vom Mývatn getroffen hatte, die dort einen richtig heftigen Schneesturm hatten mit gebrochenem Zeltgestänge und allem inklusive.
Am Zeltplatz von Reykjavík traf ich wie erwartet wieder auf Frank und Sybille, und wir plauderten noch lange über alles mögliche, von Büchern bis Patagonien. Den letzen Tag verbummelte ich in der Innenstadt, fuhr zum ersten Mal auf den Turm der Hallgrímskírkja hinauf, weil es sich zum ersten Mal richtig lohnte. Und ich stand Ewigkeiten vor dem riesigen Modell von Island im Ráðhúsið, mit all den Bergen, Gletschern, Flüssen und Tälern die ich wieder aus neuen Perspektiven kennengelernt hatte.
Am nächsten Tag ging der erste Zubringerbus zum Flughafen pünktlich um 5 Uhr morgens an der Jugendherberge. In der ewigen Schlange am Check-in traf ich sogar den Polen von der Dreki-Hütte wieder. Als der Flieger startete wurde es langsam richtig hell, aber mit meinem Fensterplatz auf der linken Seite hatte ich trotzdem keine allzugute Abschieds-Aussicht auf Island. Es war wieder wolkig geworden im Süden, bereits am Vorabend hatte der Wind auf Süd gedreht und ich hatte eigentlich sogar mit einem nassen Zelt gerechnet. Von Berlin-Schönefeld mit der Bahn zurück nach Jena wars dafür wieder sonnig und heiß.


Statistik:
Reisezeit31.7.2005 - 28.8.2005 : 29 Tage
Übernachtungen im Zelt11
Übernachtungen in Hütten8
Zeltplätze4 und 7x wild zelten
Hütten7
Zelt auf-/abgebaut11
ausgegebenes Geldca. 1000 EUR incl. Flug und Reiselektüre
Verwendete Verkehrsmittel2 Innlandsflüge, Busfahrt, "Anhalter" und ansonsten Schusters Rappen
zurückgelegte Strecke zu Fußca. 330 km
Fotosca. 600 MB, verteilt auf 895 Bilder und zusätzlich 9 mal 36 Dias
Panoramen57 mit insgesamt 265 Bildern
Gletscherüberquerungen0 (hab ich mir gespart)
Gepäckca 20 kg + Essen + Trinkwasser
Pannen etc.nichts, alles wie am Schnürchen
Hering-Bilanzkeinen Hering verloren, einen gefunden
Sonnentageca. 4
Regentageviele!

Der Übersicht wegen gibt es diesen Reisebericht auf mehrere Teile aufgespalten:
Gesamt Teil 1 Teil 2 Teil 3

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last update Sat Oct 14 19:25:31 2006